Digitale Barrierefreiheit 2025: So erfüllt dein Unternehmen die Pflichten des BFSG

Martin Jezy27 Februar 202512 min

Ab 28. Juni 2025 gilt das neue Gesetz für digitale Barrierefreiheit – und das betrifft auch deinen Onlineshop. Das Ziel dieses sogenannten Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes ist es, dass wirklich jeder, egal ob mit oder ohne Einschränkungen, ganz entspannt bei dir einkaufen kann. Klingt erstmal kompliziert? Keine Sorge! 

In diesem Blogartikel erfährst du auf verständliche Weise alles, was du über digitale Barrierefreiheit wissen musst, was das BFSG für dich bedeutet und wie du dein Unternehmen fit für die Zukunft machst. Mitsamt sämtlichen Pflichten, Fristen und Anforderungen, sowie kostenlosen Schnelltests, um die Barrierefreiheit deiner Webseite zu testen. Lass uns direkt loslegen!

Definition: Was bedeutet digitale Barrierefreiheit?

  • Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass Webseiten, Apps und andere digitale Inhalte so gestaltet sind, dass sie von allen Menschen problemlos genutzt werden können – insbesondere von Personen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen, wie beispielsweise Seh-, Hör-, motorischen oder kognitiven Beeinträchtigungen.

Es geht also darum, mögliche Hindernisse abzubauen oder zu vermeiden, damit wirklich jeder uneingeschränkt Zugang zu Infos, Produkten und Dienstleistungen hat. Konkret bedeutet das, dass Texte in einfacher Sprache verfasst und klar strukturiert sind, Farben ausreichend kontrastreich gewählt werden und Bedienoberflächen auch mit Hilfsmitteln wie Screenreadern oder Sprachsteuerung nutzbar sind. Außerdem gehören zu einer barrierefreien digitalen Gestaltung Alternativtexte für Bilder, Untertitel oder Transkripte für Videos und Audiodateien, sowie eine klare und verständliche Navigation.

Der Sinn der digitalen Barrierefreiheit ist es, niemanden aufgrund technischer oder gestalterischer Hürden auszuschließen, sondern allen Usern ein möglichst gleichwertiges und angenehmes Erlebnis zu bieten. Letztlich profitieren davon nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern alle Nutzer, da ein barrierefreier Shop übersichtlicher, verständlicher und einfacher zu bedienen ist.

Was genau ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz und ab wann gilt es?

  • Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) tritt offiziell am 28. Juni 2025 in Deutschland in Kraft und basiert auf der EU-weit gültigen Richtlinie des European Accessibility Act. 

    Jedes EU-Land muss bis zu diesem Datum die Vorgaben in nationales Recht umgesetzt haben. Das bedeutet, dass der Name des tatsächlichen Gesetzes in Frankreich, Österreich oder Polen eventuell anders lautet, aber dieseleben Richtlinien zur digitalen Barrierefreiheit umfasst. 

    Das Gesetz verpflichtet Anbieter digitaler Dienstleistungen und Produkte dazu, diese barrierefrei zu gestalten, um sie allen Menschen gleichermaßen zugänglich zu machen – insbesondere Personen mit Beeinträchtigungen. Es betrifft nicht nur Onlineshops, sondern auch andere digitale Bereiche wie Webseiten, Apps, Bankdienstleistungen, E-Books, elektronische Kommunikationsdienste sowie Ticket- und Fahrkartenautomaten.

Die Umsetzung des BFSG bedeutet für E-Commerce Unternehmen konkret:

  • Ab dem 28. Juni 2025 müssen alle neuen digitalen Angebote sofort barrierefrei gestaltet sein.
  • Für bestehende digitale Angebote gilt eine Übergangsfrist bis zum 28. Juni 2030, um notwendige Anpassungen vorzunehmen.
  • Digitale Inhalte müssen klar, verständlich und gut strukturiert sein, z.B. durch die Verwendung verständlicher Sprache und eindeutiger Gliederung.
  • Benutzeroberflächen und Navigationsstrukturen müssen intuitiv bedienbar sein und die Nutzung von Hilfsmitteln wie Screenreader, Tastaturnavigation und Sprachsteuerung ermöglichen.
  • Alle visuellen Elemente (Bilder, Grafiken, Videos) benötigen Alternativtexte oder erläuternde Untertitel.
  • Auditive Medien (Audio- und Videoinhalte) müssen mit Untertiteln oder schriftlichen Transkriptionen ausgestattet sein.
  • Gestaltungselemente wie Schaltflächen, Formulare und Links müssen klar erkennbar und kontrastreich gestaltet sein.
  • Technische Standards, wie z.B. die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), sollten bei der Umsetzung beachtet werden, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden.

Gibt es Übergangsfristen im BFSG?

... und wie sind alte, sowie neue digitale Angebote geregelt?

Während alle neuen digitalen Angebote, also Inhalte oder Dienstleistungen, die erst nach dem 28. Juni 2025 veröffentlicht oder angeboten werden, unmittelbar barrierefrei gestaltet sein müssen, gibt es für bestehende digitale Angebote – also solche, die bereits vor diesem Datum existieren – eine Übergangsfrist. Diese beträgt insgesamt fünf Jahre, sodass du bis spätestens 28. Juni 2030 Zeit hast, um vorhandene Inhalte und Dienstleistungen an die neuen gesetzlichen Vorgaben anzupassen.

  • Eine weitere Ausnahme gilt für Selbstbedienungsterminals, die vor dem 28. Juni 2025 in Betrieb genommen wurden. Diese dürfen noch bis zum 28. Juni 2040 genutzt werden, jedoch höchstens 20 Jahre ab ihrer erstmaligen Nutzung.

Die Einhaltung des Gesetzes bietet nicht nur Vorteile für Menschen mit Behinderungen, sondern erhöht auch allgemein die Benutzerfreundlichkeit und Attraktivität deiner digitalen Angebote! Barrierefreiheit bedeutet somit nicht nur gesetzliche Pflichterfüllung, sondern auch einen klaren Wettbewerbsvorteil und eine bessere Nutzererfahrung für all deine KundInnen.

Was sind die Strafen für die Nichteinhaltung der neuen Regeln des BFSG?

Wenn Unternehmen die Vorgaben des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) nicht einhalten, drohen konkrete Konsequenzen:

  • Zunächst erhalten Unternehmen eine Aufforderung der Behörden, Mängel innerhalb einer bestimmten Frist zu beheben.
  • Bei Nichtbeachtung dieser Frist können Bußgelder von bis zu 80.000 Euro verhängt werden. Die genaue Höhe richtet sich nach Schwere und Häufigkeit der Verstöße.
  • Bei dauerhaften oder wiederholten Verstößen sind höhere Geldstrafen sowie Zwangsgelder oder gerichtliche Maßnahmen möglich.
  • Verstöße können zudem zu erheblichem Imageverlust und Reputationsschäden führen Es ist daher wichtig, die gesetzlichen Vorgaben des BFSG frühzeitig umzusetzen, um Risiken zu vermeiden.

Für wen gilt das Gesetz? Welche E-Commerce-Unternehmen sind betroffen?

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) betrifft konkret sämtliche Anbieter digitaler Dienstleistungen und Produkte, die in Deutschland, bzw. der EU aktiv sind und deren Angebote online zugänglich sind. Im Bereich E-Commerce sind das besonders Onlineshops, digitale Marktplätze und Plattformen, auf denen Produkte oder Dienstleistungen online angeboten oder verkauft werden.

  • Allerdings gibt es Ausnahmen für Kleinstunternehmen:

    Diese sind laut Gesetz Unternehmen, die weniger als zehn MitarbeiterInnen beschäftigen und entweder einen Jahresumsatz von maximal € 2 Mio. erzielen oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens € 2 Mio. aufweisen. Diese Kleinstunternehmen sind nicht zur Umsetzung der Barrierefreiheitsvorgaben verpflichtet.

Für alle anderen Unternehmen gilt: Sobald dein Angebot öffentlich zugänglich ist und interaktive digitale Prozesse umfasst, also wenn KundInnen online einkaufen, Bestellungen aufgeben, Zahlungen tätigen oder Kundenkonten verwalten können, bist du vom Gesetz betroffen.

Ebenso sind digitale Dienstleistungen wie Online-Beratungen, Buchungen oder der Download digitaler Inhalte (z.B. E-Books, Software oder Musik) eingeschlossen.

Beispiele von betroffenen Unternehmen und Diensten:

  • Onlineshops aller Art (Elektronik, Lebensmittel, Schmuck, usw.)
  • Logistik- und Fulfillment-Dienstleister mit Online-Bestell- und Liefermanagement
  • Mode- und Bekleidungshersteller mit eigenem Onlineshop
  • Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln und Supplements mit eigenem digitalen Vertriebskanal
  • Digitale Marktplätze (wie Amazon, eBay, Etsy)
  • Plattformen für Online-Dienstleistungen (z.B. Buchungsplattformen, digitale Beratungen)
  • Anbieter digitaler Inhalte (E-Book-Händler, Musik- und Streaming-Dienste)
  • Influencer, die über diverse Kanäle ihre Produkte und Dienste digital vertreiben
  • Finanzdienstleister mit digitalen Services (Online-Banking, digitale Versicherungen)
  • Telekommunikationsanbieter mit Online-Vertragsverwaltung

Die Pflichten des Barrierefreiheitsgesetzes für Unternehmen

Das Ziel ist es, digitale Angebote so zu gestalten, dass jeder sie problemlos nutzen kann. Unternehmen sind daher verpflichtet, regelmäßig zu prüfen, ob ihre Angebote digital barrierefrei sind, und bei Bedarf nachzubessern. So wird sichergestellt, dass alle Menschen gleichberechtigt am digitalen Leben teilnehmen können und niemand durch technische Barrieren ausgeschlossen wird.

Das Ende Juni in Kraft tretende Barrierefreiheitsgesetz bringt daher EU-weit folgende Pflichten für Unternehmen mit sich:

Pflichten für Hersteller:

  • Digitale Produkte wie Webseiten, Apps, Software oder E-Books müssen barrierefrei gestaltet sein und aktuellen Standards (z.B. WCAG) entsprechen.
  • Hersteller müssen klare Informationen zur Barrierefreiheit ihrer Produkte bereitstellen, z.B. durch verständliche Anleitungen und Hilfetexte.
  • Produkte müssen regelmäßig auf Barrierefreiheit geprüft und gegebenenfalls angepasst werden.
  • Schon bei der Entwicklung neuer Produkte sollten Barrierefreiheitsanforderungen berücksichtigt und in die Qualitätsprüfung integriert werden.
  • Das Entwicklerteam sollte regelmäßig zur digitalen Barrierefreiheit geschult und sensibilisiert werden.

Pflichten für Importeure:

  • Importierte digitale Produkte müssen auf Barrierefreiheit geprüft werden und den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.
  • Informationen zur Barrierefreiheit der importierten Produkte müssen klar und leicht verständlich für Kunden zur Verfügung gestellt werden.
  • Importeure sollen aktiv mit ausländischen Herstellern zusammenarbeiten, um die nötigen Anpassungen für Barrierefreiheit umzusetzen.
  • Prüfungen und Maßnahmen zur Sicherstellung der Barrierefreiheit sollten dokumentiert werden.

Pflichten für Händler und Verkäufer:

  • Händler sind dafür verantwortlich, dass die digitalen Produkte und Dienstleistungen, die sie anbieten, barrierefrei sind und dies regelmäßig überprüfen.
  • Informationen zur Barrierefreiheit müssen offen und klar auf den jeweiligen Verkaufsplattformen und in den Onlineshops dargestellt werden.
  • Kunden müssen bei Bedarf durch barrierefreie Kommunikationsmöglichkeiten wie Chat, E-Mail oder telefonische Beratung unterstützt werden.
  • Händler sollten alternative Lösungen anbieten, damit Menschen mit Einschränkungen die Produkte und Dienstleistungen ebenfalls problemlos nutzen können.
  • Mitarbeiter im Kundenservice sollten regelmäßig zu Themen rund um digitale Barrierefreiheit geschult werden.

Pflichten für Dienstleister:

  • Digitale Dienstleistungen wie Online-Beratung, Buchungen oder Vertragsabschlüsse müssen barrierefrei angeboten werden und regelmäßig auf Zugänglichkeit geprüft werden.
  • Dienstleister müssen sicherstellen, dass alle verwendeten Online-Plattformen, Webseiten und Serviceportale barrierefrei gestaltet sind.
  • Die Benutzeroberflächen und Navigationen müssen intuitiv und einfach bedienbar sein und alle gängigen Hilfsmittel unterstützen, wie Screenreader, Tastaturnutzung oder Sprachsteuerung.
  • Dienstleister müssen alternative Kommunikationswege anbieten, um Kunden mit besonderen Bedürfnissen optimal zu unterstützen.
  • Mitarbeiter sollten im Umgang mit barrierefreier Kommunikation und kundenorientierter Unterstützung regelmäßig geschult werden.

Checkliste: Wann ist eine Webseite barrierefrei?

Online-Shops und E-Commerce-Plattformen sind im Grunde genommen Webseiten. Und eine Webseite als solches gilt dann als barrierefrei, wenn sie für alle Menschen – ganz unabhängig von körperlichen, geistigen oder technischen Einschränkungen – problemlos zugänglich und uneingeschränkt nutzbar ist. Digitale Barrierefreiheit bedeutet somit, dass niemand aufgrund der Gestaltung oder technischen Umsetzung einer Webseite ausgeschlossen wird.

Das bedeutet ganz allgemein:

  1. Inhalte sollten klar strukturiert und übersichtlich gegliedert sein.
  2. Texte müssen einfach zu lesen sein, was eine ausreichende Schriftgröße sowie gute Farbkontraste zwischen Text und Hintergrund voraussetzt.
  3. Eine intuitive, leicht nachvollziehbare Navigation ist essentiell, damit Nutzer schnell finden, was sie suchen.
  4. Für visuelle Inhalte wie Bilder, Grafiken oder Symbole sind Alternativtexte erforderlich, damit diese von Hilfsmitteln wie Screenreadern erfasst und korrekt vermittelt werden können.
  5. Videos sollten mit Untertiteln versehen sein und idealerweise zusätzlich Transkripte anbieten, um auch Menschen mit Hörbeeinträchtigungen die vollständige Nutzung zu ermöglichen.
  6. Formulare, Schaltflächen und interaktive Elemente müssen eindeutig erkennbar und leicht bedienbar sein, auch wenn sie ausschließlich per Tastatur oder Sprachsteuerung verwendet werden.
  7. Die Webseite muss technisch kompatibel mit verschiedenen Hilfsmitteln wie Screenreadern, Sprachsteuerung, Tastaturnavigation und anderen assistiven Technologien sein.
  8. Inhalte sollten in einfacher Sprache oder zumindest verständlich und klar formuliert sein, um auch Nutzer mit kognitiven Einschränkungen oder geringeren Sprachkenntnissen nicht auszuschließen.
  9. Außerdem sollten bewegte Inhalte abschaltbar sein (wie Animationen oder automatisch startende Videos), um Nutzer mit Reizempfindlichkeiten nicht zu belasten.

Um all diese Anforderungen zu erfüllen, gibt es international anerkannte Standards wie die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG). Lies weiter, um mehr darüber zu erfahren!

Was sind die WCAG und was musst du beachten?

Das W3C ist die weltweit führende Organisation für Webstandards und hat 1999 die WCAG entwickelt, um eine einheitliche Grundlage für barrierefreie Webinhalte zu schaffen. Sie sollen sicherzustellen, dass Webseiten für alle Menschen – unabhängig von Behinderungen oder technischen Einschränkungen – gleichermaßen zugänglich sind.

Die WCAG besteht aus vier grundlegenden Prinzipien:

1. Wahrnehmbarkeit

Alle Inhalte auf einer Webseite müssen gut sichtbar und leicht erkennbar sein. Dazu gehört zum Beispiel:

  • Gut lesbare Texte, mit ausreichendem Kontrast zwischen Text und Hintergrund.
  • Bilder und Grafiken brauchen Alternativtexte, damit auch Menschen mit Sehbehinderung die Informationen verstehen können.
  • Videos sollten klare Untertitel haben, damit sie auch für gehörlose Menschen verständlich sind.
  • Die Inhalte sollten logisch und übersichtlich angeordnet sein, damit jeder Nutzer sich schnell zurechtfindet.
     

2. Bedienbarkeit:

Webseiten müssen einfach zu bedienen sein – egal ob mit Maus, Tastatur oder Sprachsteuerung:

  • Alle Funktionen müssen vollständig mit der Tastatur bedienbar sein, nicht nur mit der Maus.
  • Links, Schaltflächen und Formulare sollten klar erkennbar und leicht anklickbar sein.
  • Die Navigation muss einfach und intuitiv sein, sodass man schnell findet, was man sucht.
  • Nutzer sollten genug Zeit haben, Inhalte zu lesen oder Aktionen durchzuführen.
     

3. Verständlichkeit: 

Webseiten sollten klar und verständlich aufgebaut sein:

  • Verwende einfache und klare Sprache, damit die Inhalte für alle verständlich sind.
  • Navigation und Layout sollten logisch und übersichtlich gestaltet sein.
  • Wenn Inhalte oder Funktionen komplexer sind, biete zusätzliche Hilfen oder Erklärungen an.
  • Fehlermeldungen, z.B. in Formularen, sollten verständlich erklärt und leicht korrigierbar sein.
     

4. Robustheit: 

Webseiten müssen technisch so umgesetzt sein, dass sie dauerhaft und von verschiedenen Geräten genutzt werden können:

  • Inhalte müssen mit Hilfsmitteln wie Screenreadern oder Sprachsteuerung gut funktionieren.
  • Die Webseite sollte auf verschiedenen Browsern und Geräten problemlos angezeigt werden.
  • Nutze aktuelle Web-Standards wie HTML, CSS und JavaScript, um die Nutzung zu erleichtern.
  • Prüfe regelmäßig, ob die Seite noch barrierefrei ist, und passe sie gegebenenfalls an, um sicherzustellen, dass deine Webseite barrierefrei bleibt.
     

Gut zu wissen: Die WCAG selbst sind keine gesetzlichen Vorschriften, sondern technische Standards, die von verschiedenen Ländern in ihre Gesetzgebung mit aufgenommen wurden! In der EU und somit beispielsweise in Deutschland, sind die WCAG ein zentraler Bestandteil des deutschen Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG), das ab Ende Juni 2025 gilt. In den USA sind sie wiederum Teil des Americans with Disabilities Act (ADA) und der Section 508 des Rehabilitation Act.

Wie macht man eine Webseite barrierefrei?

Um eine Webseite digital barrierefrei zu gestalten, gibt es mehrere wichtige und ausführliche Schritte, die du unbedingt beachten solltest - hier eine Übersicht der wichtigsten Punkte und wie du dabei am Besten vorgehen könntest:

1. Planung und Struktur:

  • Beginne bereits in der Planungsphase mit dem Gedanken an Barrierefreiheit. Überlege dir genau, wie du Inhalte logisch strukturieren und anordnen kannst, damit sie leicht zugänglich sind.
  • Entscheide dich für eine einfache und verständliche Sprache, die von möglichst vielen Menschen problemlos verstanden wird.
  • Plane eine intuitive und klare Navigation, sodass Nutzer schnell finden, was sie suchen.
  • Berücksichtige von Anfang an verschiedene Arten von Beeinträchtigungen (z.B. Seh-, Hör-, Motorik- oder kognitive Einschränkungen).
     

2. Barrierefreies Design:

  • Nutze ausreichend hohe Farbkontraste zwischen Schrift und Hintergrund, um eine gute Lesbarkeit für Nutzer mit Sehschwierigkeiten sicherzustellen.
  • Verwende klare und gut erkennbare Schriftarten, die in verschiedenen Größen gut lesbar bleiben.
  • Achte darauf, dass Layout und Struktur übersichtlich und nicht zu komplex sind, um Orientierung und Bedienung zu erleichtern.
  • Vermeide Animationen oder Effekte, die stark ablenken oder Nutzer irritieren könnten, oder ermögliche deren Abschaltung.
     

3. Technische Umsetzung und Entwicklung:

  • Stelle sicher, dass alle Inhalte und Funktionen deiner Webseite vollständig über die Tastatur erreichbar sind. Dies ist besonders wichtig für Nutzer, die keine Maus verwenden können.
  • Nutze Alternativtexte (ALT-Texte) für Bilder, Grafiken und andere visuelle Elemente, damit Screenreader-Nutzer diese Inhalte verstehen können.
  • Integriere Untertitel oder Transkriptionen für Videos und Audios, damit diese für gehörlose oder schwerhörige Menschen zugänglich sind.
  • Verwende klare und beschreibende Linktexte (anstatt „Klicke hier“), um Nutzer mit Hilfsmitteln bei der Orientierung zu unterstützen.
  • Stelle sicher, dass Formulare klar beschriftet und einfach auszufüllen sind, auch für Menschen, die Hilfsmittel verwenden.
     

4. Testing und Qualitätssicherung

  • Prüfe regelmäßig mit speziellen Test-Tools (hier findest du eine Liste kostenloser Schnelltests) und Screenreadern, ob alle Bereiche deiner Webseite barrierefrei zugänglich sind.
  • Teste deine Webseite außerdem mit realen Nutzern, die Hilfsmittel und assistive Technologien verwenden. So erkennst du mögliche Schwierigkeiten frühzeitig und kannst diese beheben.
  • Achte besonders auf Feedback aus diesen Tests, um deine Seite stetig zu verbessern.
     

5. Regelmäßige Optimierung und Pflege:

  • Überprüfe regelmäßig, ob deine Webseite weiterhin aktuellen Barrierefreiheitsstandards (wie den WCAG-Richtlinien) entspricht.
  • Aktualisiere deine Inhalte regelmäßig und stelle sicher, dass neue Inhalte ebenfalls barrierefrei gestaltet werden.
  • Halte dich über technische Neuerungen und Veränderungen im Bereich der Barrierefreiheit auf dem Laufenden und passe deine Webseite entsprechend an.

Durch diese grundlegenden Maßnahmen stellst du sicher, dass deine Webseite für alle Nutzer problemlos zugänglich und barrierefrei nutzbar ist. Natürlich ist das Ganze kein einmaliger Aufwand, sondern viel eher ein regelmäßiger Prozess. 

Tipps für barrierefreie Inhalte

Die passende Vorbereitung von Texten, Bildern, Audios und Videos sowie die Wahl eines geeigneten Content-Management-Systems (CMS) spielen eine zentrale Rolle in Sachen digitaler Barrierefreiheit. Darüber hinaus gibt es verschiedene Tools, mit denen sich die Barrierefreiheit einer Website testen und optimieren lässt.

Wie bereits erwähnt, kannst du deine Webseite folgendermaßen optimieren, diesmal aufgeschlüsselt nach Art des Inhalts:

1. Texte:

  • Einfache Sprache: Verwenden Sie klare, kurze Sätze und vermeiden Sie Fachjargon, damit die Inhalte für alle verständlich sind.
  • Struktur und Hierarchie: Überschriften sollten logisch aufgebaut sein (H1 für Hauptüberschrift, H2 für Untertitel usw.), damit Screenreader die Struktur korrekt interpretieren können.
  • Verständliche Links: Vermeiden Sie generische Linktexte wie „Hier klicken“ – stattdessen sollten Links den Inhalt beschreiben, z. B. „Mehr über Barrierefreiheit erfahren“.
  • Kontraste beachten: Der Text sollte sich deutlich vom Hintergrund abheben (empfohlen: Kontrastverhältnis von mindestens 4,5:1).
  • Textskalierung ermöglichen: Nutzer sollten die Schriftgröße problemlos anpassen können, ohne dass Layout oder Funktionalität beeinträchtigt werden.
     

2. Bilder und Grafiken:

  • Alt-Texte verwenden: Jedes Bild sollte eine alternative Beschreibung haben, die Screenreader auslesen können. Der Alt-Text sollte kurz, aber präzise erklären, was im Bild dargestellt wird.
  • Dekorative Bilder kennzeichnen: Wenn ein Bild rein dekorativ ist, sollte es als solches markiert werden (z. B. mit alt=""), damit es von Screenreadern ignoriert wird.
  • Infografiken und Diagramme beschreiben: Grafische Darstellungen sollten zusätzlich als Textversion bereitgestellt werden, um ihre Inhalte für sehbehinderte Nutzer zugänglich zu machen.
     

3. Audios und Videos:

  • Untertitel für Videos: Alle Videos sollten mit synchronisierten Untertiteln versehen sein, um gehörlosen oder schwerhörigen Personen den Zugang zu ermöglichen.
  • Audiodeskriptionen bereitstellen: Blinde oder sehbehinderte Nutzer profitieren von zusätzlichen Audiobeschreibungen, die relevante visuelle Inhalte erklären.
  • Transkripte für Audioinhalte: Podcasts und andere Audioinhalte sollten in Textform bereitgestellt werden.
  • Automatisches Abspielen vermeiden: Inhalte sollten nicht ohne die Zustimmung des Nutzers starten, da dies für Menschen mit motorischen oder kognitiven Einschränkungen störend sein kann.

Gut zu wissenHier erfährst du viele weitere nützliche Tipps zu barrierefreien Videos!
 

Geeignete Content-Management-Systeme (CMS) für Barrierefreiheit

Ein barrierefreies CMS ist natürlich unverzichtbar für die Erstellung und Verwaltung zugänglicher Inhalte. Die folgenden Systeme eignen sich besonders gut:

  • WordPress: Mit entsprechenden Plugins (z. B. WP Accessibility, One Click Accessibility) lassen sich viele Barrierefreiheitsanforderungen umsetzen. Themes sollten auf ihre Barrierefreiheit geprüft werden.
  • TYPO3: Bietet von Haus aus viele Funktionen zur Barrierefreiheit, etwa eine bessere Strukturierung von Inhalten und Unterstützung für semantisches HTML.
  • Drupal: Ermöglicht mit barrierefreien Themes und Modulen eine einfache Umsetzung von WCAG-konformen Webseiten.
  • Joomla!: Unterstützt barrierefreie Webentwicklung mit passenden Templates und Erweiterungen.
  • Grav: Ein modernes Flat-File-CMS, das auf Barrierefreiheit setzt und sich für kleinere Websites eignet.

Gut zu wissen: Beim Einsatz eines CMS sollte darauf geachtet werden, dass Themes und Plugins ebenfalls barrierefrei gestaltet sind. Das ist oft nicht der Fall, da viele Custom Designs herumschwirren, die nicht barrierefrei optimiert sind!

Kostenlose Schnelltests zum Testen der digitalen Barrierefreiheit

Um sicherzustellen, dass eine Website tatsächlich barrierefrei ist, sollten regelmäßig Tests mit verschiedenen Tools durchgeführt werden. Wir listen dir hier einige kostenlose Schnelltests auf, die du machen kannst, um den allgemeinen Status deiner Webseite zu checken.

Wichtig: Diese Schnelltests ersetzen natürlich nicht das umfangreiche Audit von z.B. einer Agentur für digitale Barrierefreiheit, und überprüfen auch nicht alle Punkte der neuen BFSG Regelung.

Automatisierte Test-Tools

  • WAVE (Web Accessibility Evaluation Tool): Analysiert Websites auf Barrierefreiheitsprobleme und zeigt Vorschläge zur Verbesserung.
  • axe DevTools (Web App): Ein leistungsstarkes Browser-Plugin, das Barrierefreiheitsprobleme erkennt und Lösungen vorschlägt.
  • Google Lighthouse: Bewertet die Barrierefreiheit von Webseiten und liefert Optimierungstipps.
  • Siteimprove Accessibility Checker: Bietet detaillierte Analysen zur Einhaltung von WCAG-Richtlinien.
     

Manuelle Tests und Screenreader (-Apps)

  • NVDA (NonVisual Desktop Access): Kostenloser Screenreader für Windows, mit dem sich testen lässt, wie sehbehinderte Nutzer eine Website wahrnehmen.
  • VoiceOver (macOS & iOS): Ermöglicht das Testen der Barrierefreiheit auf Apple-Geräten.
  • TalkBack (Android): Screenreader für mobile Geräte, um die Nutzbarkeit von Apps und Websites zu prüfen.
     

Farb- und Kontrast-Checker

  • WebAIM Contrast Checker: Prüft, ob Texte ausreichenden Farbkontrast haben.
  • Color Oracle: Simuliert Farbenblindheit und hilft dabei, Inhalte für farbenblinde Nutzer zu optimieren.
     

Tastaturnavigation testen

Viele Nutzer mit motorischen Einschränkungen bedienen Webseiten nur mit der Tastatur. Folgende Aspekte sollten getestet werden:

  • Funktionieren alle interaktiven Elemente (Links, Formulare, Buttons) per Tab-Taste?
  • Ist der aktuelle Fokus sichtbar, wenn Elemente per Tab-Taste durchlaufen werden?
  • Lassen sich Drop-down-Menüs, Pop-ups und modale Fenster ohne Maus bedienen?

 

Als Fulfillment-Anbieter möchten wir unsere KundInnen aktiv dabei unterstützen, ihre Unternehmen barrierefreier zu gestalten, da uns dieses Thema am Herzen liegt. Digitale Barrierefreiheit bedeutet nicht nur eine bessere Nutzererfahrung, sondern auch mehr Zugänglichkeit für jeden Menschen.

Deshalb helfen wir Online-Shops dabei, ihre Prozesse zu optimieren und barrierefreie Lösungen umzusetzen. So schaffen wir gemeinsam ein inklusiveres Einkaufserlebnis und ermöglichen es mehr Menschen, uneingeschränkt am digitalen Handel teilzunehmen.

Quellen

Hier findest du weiterführende Informationen zu Barrierefreiheit:
https://www.aktion-mensch.de/inklusion/barrierefreiheit/

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz - BFSG im Detail:
https://bfsg-gesetz.de/

Informationen zum Barrierefreiheitsgesetz in Österreich:
https://www.wko.at/ce-kennzeichnung-normen/informationen-zum-barrierefreiheitsgesetz

Bilder:
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